DFH-Stipendiatin Lena vom Wiprecht-Gymnasium in Groitzsch – 2017/2018 mit xplore in London, England
Berichte und Fotos:
September 2017
Seit vier Wochen bin ich nun schon in meiner Gastfamilie in London und die Zeit vergeht wie im Flug. Doch bevor ich überhaupt in England ankam, erlebte ich den ersten Schreck noch in Berlin am Flughafen: Wenige Stunden vor Abflug wurde mein Flug annulliert. Nach der Umbuchung auf einen anderen Flug musste ich noch in Stuttgart zwischenlanden und auch der Anschlussflug nach London hatte Verspätung. Aber irgendetwas muss doch immer schiefgehen, oder?
Die nächsten zwei Tage verbrachten alle Austauschschüler im Softlanding-Camp in Finborough. Der Ausflug nach Cambridge mit Bootsfahrt und Stadtrundgang war eine wunderbare Gelegenheit sich kennenzulernen, auszutauschen und erste Kontakte zu knüpfen.
Meine Gastfamilie habe ich von Anfang an liebgewonnen. Ich wurde sehr herzlich empfangen, wir haben uns sofort gut verstanden. Abends kochen wir zusammen und am Wochenende besuchen wir den Tempel oder gehen gemeinsam einkaufen.
Auch der Stadtteil, in dem ich lebe, ist mir schon jetzt ans Herz gewachsen. So viele verschiedene Farben und Kulturen an einem Ort sind etwas Besonderes. Ich kann gar nicht beschreiben, wieviele Eindrücke man mit einem Spaziergang über den Markt sammeln kann. Exotische Früchte, der Duft von Blumen und Gewürzen in der Luft – ein wunderbares Flair inmitten verkehrsreicher Straßen, Underground und Bus stops.
“Lass dich nicht überfahren!” sagte mir eine Freundin kurz vor meiner Abreise. Was soll ich sagen? Sie hatte Recht. Gerade am Anfang war es schwer, an den Linksverkehr zu denken, aber zum Glück wird man in London an fast jeder Kreuzung daran erinnert, aus welcher Richtung der Verkehr kommt. Man hat sich spätestens an die “verkehrte Welt” gewöhnt, wenn man beim Autofahren keinen Herzinfarkt mehr bekommt.
In der Schule kam ich von Anfang an gut zurecht und auch die Lehrer helfen bei Fragen immer weiter. Trotzdem musste ich mich am Anfang an den Dresscode gewöhnen, der für deutsche Verhältnisse sehr streng ist. Die Regel ist simpel: Wer in Jeans zur Schule kommt, wird nach Hause geschickt. Generell stellt die Schule hohe Anforderungen an ihre Schüler und deren Lernbereitschaft – es werden gute Testergebnisse und die Teilnahme an mindestens 95% der Unterrichtsstunden erwartet. Die Unterschiede des deutschen und englischen Schulsystems sind groß, aber in einem Punkt kann sich Deutschland noch deutlich verbessern: die technische Ausstattung von Schulen und der Medieneinsatz im Unterricht machen eine Unterrichtsstunde so vielfältig und interessant und bieten Lehrern und Schülern eine breite Palette an Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung. Auch die belegbaren Fächer unterscheiden sich: Neben Mathe und Französisch habe ich Film Studies gewählt. Wer sich für Filmbearbeitung, Schnitt, Filmgeschichte und Interpretationen interessiert, sollte dem Fach definitiv eine Chance geben. Andere wählbare Fächer sind zum Beispiel Economics, Psychology, Religious Studies, Media Studies oder Child Care. Anfangs war ich überrascht von meinem “leeren” Stundenplan. Ich belege zwar nur drei Fächer, habe dafür aber relativ viele Hausaufgaben.
À propos Schule:
Als ich irgendwann in der zweiten Schulwoche früh aufwachte und auf die Uhr schaute, war es 7:20 Uhr. Um diese Zeit müsste ich doch eigentlich schon im Bus auf dem Weg in die Schule sein? Panisch alle Sachen gepackt, ein Sandwich geschnappt und schnell zum Bus gerannt, schaute ich auf mein Handy – da war es doch erst 6:30 Uhr? Durch die Zeitverschiebung bin ich eine Stunde zu früh an der Bushaltestelle gewesen – und hatte am Ende doch noch genug Zeit zu frühstücken. So ist das eben, wenn man nicht richtig auf die Uhr guckt.
In meinem ersten Monat in England habe ich schon so viel erlebt, verschiedene neue Kulturen kennengelernt, Freunde aus aller Welt gefunden und das pulsierende, bunte und moderne London liebgewonnen. Zu den Highlights würde ich definitiv Camden Market, Chinatown und Covent Garden zählen.
Oktober 2017
Ende Oktober hatte ich eine Woche Half Term Break und die freie Zeit tat wirklich gut. Gelegenheit auszuschlafen, Freunde zu treffen, die Stadt zu erkunden – aber natürlich auch um zu lernen. Ich habe die Ferien genutzt und viel erlebt. Ein Highlight war auf jeden Fall das Musical An American in Paris, was unbedingt weiterzuempfehlen ist. Auch Evita, ein Stück über die argentinische First Lady Eva Perón hat mich verzaubert und ist wirklich sehenswert.
Generell bin ich viel mit Freunden in London unterwegs, denn es passieren immer Dinge, die man nicht einplanen kann – so entstehen doch aber oft unvergessliche Momente, an die man sich später gerne erinnert. Unter anderem haben wir uns verschiedene Museen angeschaut, wie zum Beispiel die National Gallery oder British Museum.
Vor einigen Tagen hat meine Gastfamilie Diwali gefeiert. Das indische Lichterfest wird in aller Welt zelebriert und auch in London auf dem Trafalgar Square fand das Diwali Festival statt. Sikhs und Hindus ehren je nach Auslegung des Glaubens verschiedene Gottheiten oder Gurus – in Südindien ist zum Beispiel ein Bezug zu Krishna gegeben, während im Norden des Landes Rama und dessen Frau Sita im Vordergrund stehen.
An Diwali wird das ganze Haus mit Lichtern geschmückt und Kerzen werden angezündet. In meiner Gastfamilie gab es erst Friedensgebete, indische Snacks und dann ein großes Familienessen mit traditionellen indischen Gerichten. In der Nachbarschaft haben viele Familien ihr Diwalifest mit Feuerwerk beendet. Übrigens beginnt an Diwali in Nordindien auch das neue Jahr.
Ich muss zugeben, dass ich vor meinem Auslandsjahr noch nie etwas von Diwali gehört habe und auch von anderen Traditionen uns fremder Kulturen nicht so viel wusste. Das zeigt aber, dass man auch einmal über den Tellerrand schauen sollte, denn nur so kann man seinen Horizont erweitern! Schon jetzt habe ich so viel über verschiedene Kulturen und deren Gewohnheiten, Lebensweisen und Weltanschauungen gelernt.
In meiner Gastfamilie fühle ich mich mittlerweile wirklich angekommen und sehr wohl – auch in der Schule habe ich Freunde gefunden und es könnte nicht besser laufen. Neben englischen Freunden habe ich auch viele „Internationals“ aus aller Welt kennengelernt. Man muss auf Menschen zugehen und Gespräche anfangen, denn das kann der Anfang einer Freundschaft sein.
Nächsten Monat beginnen dann die mock exams, also Probeprüfungen in allen Fächern. Sie finden in den letzten Wochen vor Weihnachten statt und bereiten auf die richtigen Prüfungen am Ende des Schuljahres vor. Meiner Meinung nach ist der Schulstoff hier in England gut zu schaffen und auch in Mathe, was eigentlich nicht gerade zu meinen Lieblingsfächern gehört, bin ich zur Zeit sehr zufrieden.
Ganz besonders genieße ich hier die Vorweihnachtszeit, London ist wirklich wunderschön beleuchtet. Überall duftet es nach gebrannten Mandeln oder Schokolade, es gibt auch ein paar sehr schöne Weihnachtsmärkte, zum Beispiel in Leicester Square. An die deutschen Weihnachtsmärkte kommen Sie aber dann doch nicht ganz ran 🙂
Dezember 2017
Was für ein Monat! Ich persönlich liebe den Dezember und bin der absolute Wintermensch.
Schon seit etwa zwei Monaten hat man hier in London gemerkt, dass die besinnlichen Stunden näher rücken und bald Weihnachten vor der Tür steht. Und wirklich, das kann niemand abstreiten, ist es traumhaft schön, gebrannte Mandeln, Orangen oder Schokoäpfel bei einem Spaziergang durch die Stadt zu genießen. Weihnachten ist für mich einfach die beste Zeit des Jahres.
Deswegen habe ich mich auch dazu entschieden bis zum 26. Dezember in England zu bleiben und erst danach für eine Woche nach Hause zu fliegen. Ich kann sagen – es hat sich wirklich gelohnt, denn es war ein wunderschönes Fest.
Zuerst kam frühmorgens am 25. die ganze Familie nach Hause. Als Allererstes wurde der Truthahn in den Ofen geschoben und das Frühstück vorbereitet. Es gab scrambled eggs, Pilze und Toast. Danach wurden die Geschenke verteilt und ein weihnachtlicher Film geschaut, während in der Zwischenzeit noch ein Braten vorbereitet und das restliche Gemüse geputzt wurde. Es gab ein tolles Mittagessen, was sich – bis auf den Truthahn – eigentlich nicht wirklich vom deutschen Weihnachtsessen unterscheidet. Der Tag nahm seinen Lauf: viele, viele Spiele wurden gespielt, Geschichten erzählt, Quizfragen beantwortet und Cracker gecrackt. Abends gab es neben cheese and crackers auch indische Süßigkeiten. Zum Schluss haben wir alle zusammen einen Weihnachtsfilm geschaut, danach ging es für mich auch schon in Richtung Flughafen.
Ich habe Weihnachten in England sehr genossen und bin froh, erst danach nach Hause geflogen zu sein.
Jetzt ist der Dezember vorbei, der alte Weihnachtsbaum steht vorm Haus und auch die Dekoration ist endgültig verschwunden – zum Glück. Denn so sehr ich die Weihnachtszeit auch liebe, freue ich mich auf ein neues Jahr voller Abenteuer, Reisen und neuen Freundschaften. Ich nutze die letzten Ferientage noch um zu entspannen, denn am Montag wird die Schule starten und es stehen viele Projekte an.
Januar 2018
Januar – eigentlich ist in diesem Monat gar nicht so viel Besonderes passiert. Nachdem ich eine Woche in Deutschland war, habe ich mich auch wieder gefreut zurück nach England zu kommen. Hier hatte ich noch eine Woche Ferien, die ich gut genutzt habe um mich mit Freunden zu treffen oder noch unentdeckte Stadtteile zu erkunden. So habe ich meine Freunde dazu überredet mit nach Hampstead zu kommen. Der Tag hat sich wirklich gelohnt, denn wir haben bei – für britische Verhältnisse – gutem Wetter den Blick auf Londons Skyline genossen. Außerdem waren wir im Kino zu “The Darkest Hour”, einem Porträt Churchills während seinen ersten turbulenten Tagen als britischer Premierminister, in denen er vor eine der schwierigsten Fragen seiner Karriere gestellt wird. Dunkerque evakuieren, Verhandlungen mit Deutschland und Italien? – ein auf alle Fälle sehenswerter Film.
In der Schule haben wir das letzte PPE-Exam geschrieben und dann unsere reports zum neuen Jahr bekommen, mit meinem Ergebnis war ich sehr zufrieden. Da wir in Französisch und Film Studies nur zu dritt in einem Kurs sind, können die Lehrer viel tiefgründiger auf unsere Fragen eingehen, es ist fast ein bisschen wie Privatunterricht. Ich finde gut, dass viele Lehrer jung sind und damit auch technisch versierter. Im Unterricht werden viele Power Points eingesetzt und in den Fremdsprachen werden die Aufgaben online gestellt. Generell haben alle Schüler Computer zur Verfügung und können so in Freistunden an Dokumenten oder Aufgaben weiterarbeiten.
Jetzt am Anfang des Jahres ist uns erstmal wirklich klar geworden, wie schnell die erste Hälfte des Auslandsjahres vergangen ist, also nutzen wir jede Gelegenheit um etwas zu erleben. Letztes Wochenende haben wir zusammen den Geburtstag einer Freundin gefeiert, waren essen und haben dann alle möglichen Spiele und Fahrgeschäfte in einer Spielehalle ausprobiert.
Auf den Februar freue ich mich besonders, denn wir haben wieder Ferien, diverse Ausflüge geplant und zwei meiner Freunde aus Deutschland werden mich hier besuchen kommen.
Februar 2018
Während die Kälte Deutschland fest im Griff hat, sorgen in England Temperaturen um den Gefrierpunkt und etwas Schnee dafür, das Schulen geschlossen bleiben und der öffentliche Verkehr teilweise ausfällt. ‘The beast from the east’ – so nennt man die polaren Winde, die die Hauptstadt gerade in Chaos versetzen. Meiner Meinung nach eine etwas übertriebene Beschreibung von Winter, denn London sieht eingeschneit so wunderschön aus…
Jedenfalls werde ich die zusätzlichen freien Tage nutzen, um ins Theater und Kino zu gehen, auch Schlittschuhlaufen ist geplant.
Trotzdem brachte das kalte Wetter diesen Monat aber viel Sonne mit sich; für mich war das die perfekte Gelegenheit für einen langen Spaziergang in Richmond Park. Auf fast 10 km² kann man Rehe und Rothirsche beobachten, sowie seltene Pflanzenarten entdecken. Außerdem hat man an manchen Stellen im Park einen tollen Blick auf St. Pauls Cathedral, die ungefähr 16 km entfernt ist.
Auch Windsor Castle ist bei gutem Wetter einen Besuch wert – der Hauptwohnsitz der Queen befindet sich westlich von London und ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen. Im Mai werden hier übrigens Prinz Harry und Meghan Markle in der St. George’s Chapel heiraten.
Im Februar fand auch das chinesische neue Jahr statt. Mit bunten Paraden und Feuerwerk rund um Trafalgar Square und Chinatown wurde der Beginn des neuen Jahres gefeiert. Londons Chinatown hat mit seinen chinesischen Bögen, Holzdrachen und traditionellen Läden ein ganz besonderes Flair.
Es lohnt sich auch, die vielen chinesischen Spezialitäten, ob herzhaft oder süß, auszuprobieren. Von frischem Gebäck bis zur Gans oder asiatischen Suppengerichten ist alles zu finden.
Noch ungefähr 4 Monate bleiben mir in England und es sind noch so viele Ausflüge und Touren geplant, sodass wir den März gleich anfangen die Liste abzuarbeiten, denn sie ist so lang…
März 2018
Kaum zu glauben, wieviel Zeit vergangen ist, seitdem wir Austauschschüler hier in England angekommen sind. In 7 Monaten hat sich so viel verändert – neue Freundschaften sind entstanden, unser Verständnis von verschiedenen Kulturen hat sich erweitert und wir haben viele Orte besucht.
Da man sich auf das Wetter sowieso nicht verlassen kann, sind warme Sachen und Regenschirm zu dieser Zeit des Jahres ein Muss. Wenig überraschend, dass uns feinstes englisches Regenwetter in Brighton erwartete. Brighton ist einen Besuch wirklich wert, denn neben dem Royal Pavillon, Brighton Palace Pier und den vielen engen Gassen mit originellen, kleinen Läden, kann man ein Stück weiter östlich zu den Kreidefelsen laufen.
Und weil einmal Strand im Monat noch nicht genug ist, ging es gleich weiter nach Margate in Kent. Ein typischer “seaside town” mit britischem Flair, 15 Meilen von Canterbury entfernt. Im Gegensatz zu Brighton oder vielen anderen Küstenorten, hat Margate einen Sandstrand und lockt gerade im Sommer viele Londoner aus der Großstadt.
Wer sich gerne Theaterstücke und Musicals anschaut, ist in London richtig. Gerade als Schüler bekommt man kurz vor Showbeginn günstigere Karten. Im März habe ich Wicked im Apollo Victoria Theatre gesehen und bin immer noch beeindruckt. Weltpremiere hatte Wicked vor 15 Jahren in San Francisco, hat seitdem jedoch zahllose Awards gewonnen und nicht an Beliebtheit verloren.
Da in meiner Gastfamilie diesen Monat eine Hochzeit stattfand, standen in letzter Zeit viele Feste und Zeremonien an. Etwa eine Woche vor der eigentlichen Hochzeit beginnen die Feierlichkeiten. Fast ohne Pause wird jeden Tag gefeiert und gesungen. Zu den Hochzeitstraditionen gehören unter anderem auch eine Henna-Nacht und Gebete.
Die eigentliche Trauung findet in einem Gurdwara, also Sikh-Tempel statt. Indische Hochzeiten unterscheiden sich sehr von den Bräuchen, die wir kennen, umso interessanter war es für mich, dieses Ereignis selbst mitzuerleben.
Generell muss ich sagen, dass es sich so anfühlt, als wäre ich schon viel länger hier gewesen. Wir sind, sozusagen, komplett integriert und alles fühlt sich total normal an. Letzten Sommer habe ich mir selbst viele Fragen gestellt. Wie sieht meine Gastfamilie aus? In welcher Region werde ich wohnen? Wie ist meine Schule? Wenn ich jetzt auf die letzten Monate zurückschaue, habe ich sehr viel erlebt. Ob in London oder am Meer, ob Musicals oder indische Feiertage, es gab bis jetzt noch kein einziges Wochenende ohne Unternehmungen.